Jeden Tag verwenden wir das Wort Glück. Aber wenn man mal länger nachdenkt, kommen einem mehrere Fragen. Was bedeutet Glück überhaupt? Wie entsteht Glück? und noch viele mehr. Wir verwenden den Begriff Glück sehr oft aber wir wissen nicht genau, was er genau bedeutet. Zur Aufklärung habe ich mir ein paar Fragen überlegt und diese dem Philosphen Dr. Pascal Delhom  gestellt. Er arbeitet als Dozent für Philosophie an der Universität Flensburg. Ich hoffe, ihr könnt durch seine Hilfe besser verstehen was Glück ist und wann ihr wirklich glücklich seid.

Dr.Pascal Delhom
Dr. Pascal Delhom

Was macht man als Philosoph?

Ein Philosoph oder eine Philosophin denkt vor allem über bestimmte Fragen nach, liest viel, diskutiert mit anderen und schreibt darüber. Die Fragen, um die es in der Philosophie geht, betreffen die menschlichen Fähigkeiten, Sachen zu erkennen, moralisch zu handeln oder den Sinn der Welt und des Lebens zu verstehen.

Wichtig ist, dass ein Philosoph seine Antworten begründet und so formuliert, dass jede Person sie mit Hilfe ihrer Vernunft nachvollziehen kann, auch wenn die Fragen und die Antworten schwierig sind.

Ein Philosoph ist auch oft jemand, der Philosophie unterrichtet. Er oder sie verbringt also Zeit mit SchülerInnen oder Studierenden und versucht, mit ihnen Texte und Gedanken zu verstehen und darüber zu sprechen.

Wie wird man Philosoph?

Es gibt an vielen Universitäten ein Studium der Philosophie. Wer das Fach studiert, kann dann als Philosoph tätig werden, in der Schule, an der Universität oder freiberuflich.

Wie würden Sie das Wort Glück mit eigenen Worten erklären?

Das deutsche Wort “Glück” ist vieldeutig. In einem ersten Sinn kann Glück ein Produkt des Zufalls bezeichnen, etwa wenn jemand beim Spiel gewinnt oder wenn Dinge für ihn günstig verlaufen, ohne dass er dafür etwas tun muss. Er hat einfach Glück. Das Gegenteil davon ist Pech.

Glück kann aber auch ein Gefühl sein, das wir empfinden, wenn wir etwas Schönes erleben. Es ist ein starkes Gefühl, das selten sehr lange dauert, das uns aber, im Unterschied zum Spaß oder zu bestimmten Arten der Freude, ganz erfüllt und unsere Beziehungen zur Welt und zu den anderen Menschen schöner erscheinen lässt. Das Gegenteil des Glücks in diesem Sinn ist das Leiden.

Zuletzt kann Glück auch ein dauerhafter Zustand oder ein Lebensgefühl sein, das das ganze Leben eines Menschen erfüllt. Die alten Griechen nannten diesen Zustand Glückseligkeit. Verschiedene Dinge können uns in diesem Sinn glücklich machen: anhaltende Beziehungen mit Menschen, die wir lieben; ein Beruf, den wir sehr gerne ausüben; das Leben an einem Ort, an dem wir uns sehr wohl fühlen. Die meisten Philosophen betonen auch, dass ein Mensch allein nicht wirklich glücklich sein kann, sondern dass das Glück der anderen auch zu unserem Glück gehört. Wer nichts davon hat, lebt ein unglückliches Leben.

In Bezug auf den ersten Sinn des Wortes kann man sagen, dass man Glück hat, in Bezug auf den zweiten und dritten Sinn, sagt man dagegen, dass man glücklich ist.

Was bedeutet Glück?

Über die Bedeutung des Wortes “Glück” habe ich schon geschrieben, aber noch nicht über die Bedeutung des Glücks für unser Leben. Viele Philosophen behaupten, dass für uns Menschen das Glück das höchste Gut ist. Es ist das, wonach wir über alles streben. Dies zeigt sich daran, behauptete Aristoteles, dass wir alles tun, was wir tun, um letztendlich glücklich zu sein, dass das Glück aber nicht selber ein Mittel ist, was wir benutzen, um etwas anderes zu erreichen.

Dass alle Menschen nach Glück streben, bedeutet allerdings nicht, dass alle das gleiche darunter verstehen. Es gibt große Unterschiede in den Auffassungen, worin das Glück besteht und wie es erreicht werden kann. Für die einen liegt es in sinnlichen Empfindungen, in Lust, für andere im Erfolg, im Reichtum oder in der sozialen Anerkennung, für andere noch in der Erkenntnis der Wahrheit und des Guten oder in einem tugendhaften Leben. Für viele besteht es einfach in der Abwesenheit von Schmerzen und von Erfahrungen des Leidens.

Es gibt also keine einheitliche Definition des Glücks außer der bloßen Tatsache, dass wir Menschen danach streben.

Gibt es das Glück überhaupt oder ist es nur ein Zufall?

Jede und jeder von uns hat bereits Momente des Glücks erfahren und jede weiß auch, was es bedeutet, unglücklich zu sein. Es gibt also wirklich so etwas wie Glück als Erfahrung und als das, wonach wir streben. Ob wir allerdings ein vollkommenes Glück, Glückseligkeit, jemals erreichen können, ist eine schwierige Frage. Große Religionen versprechen uns Glück für ein Leben nach dem Tod. In diesem Leben scheint es aber fast unerreichbar.

Und doch ist das Glück nicht nur ein Zufall. Es besteht nicht nur darin, Glück zu haben. Manche Menschen haben oft Glück im Leben und sind trotzdem nicht wirklich glücklich. Manche müssen umgekehrt gegen Widerstände kämpfen und finden doch das Glück. Ob unser Leben glücklich wird, hängt nicht nur von uns ab, sondern vielfach von anderen Menschen und von den Umständen, unter denen wir leben. Doch unser Glück hängt auch davon ab, wie wir mit diesen Menschen und mit diesen Umständen umgehen.

IMG_20160105_143954
Chinesisches Zeichen für Glück

Wie entsteht das Glück?

Im ersten Sinn des Wortes ist Glück nichts anderes als glücklicher Zufall. Es hat keine andere Quelle.

Das Gefühl des Glückes entsteht hingegen durch bestimmte Erlebnisse, die wir als schön empfinden. Ein Biologe könnte beschreiben, wie dabei bestimmte Zonen unseres Gehirns aktiviert werden und wie unser Körper Hormonen freisetzt, die das Glücksgefühl produzieren. Der Philosoph denkt eher über die Umstände nach, die ein Gefühl des Glücks entstehen lassen können. Es sind Momente der ausgeprägten Stimmigkeit in unserem Verhältnis zu anderen Menschen, zur Welt oder zu uns selbst, wenn wir zum Beispiel verliebt sind, ein schönes Naturerlebnis genießen oder etwas Besonderes geschafft haben.

Wie wird man glücklich?

Diese Frage betrifft eher, so scheint mir, den letzten Sinn des Wortes: den dauerhaften Zustand des Glücks. Dazu gehört vieles:

Es gehört erstens das Glück (im Sinne des günstigen Zufalls), an einem Ort geboren zu sein und zu leben, an dem die Möglichkeit des Glücks nicht durch Gewalt, Armut oder soziale Kälte bedroht wird. Dass wir dieses Glück haben, hängt nicht von uns ab, aber wohl zum Teil von anderen Menschen. Umso mehr sollten wir dafür sorgen, dass wir für das Glück anderer Menschen sorgen, sofern dieses von uns abhängt.

Zum Erreichen des Glücks gehört auch ein praktischer Sinn für das, was uns wirklich glücklich macht und uns nicht einfach unterhält oder ablenkt. Dieser Sinn besteht einerseits in der Fähigkeit, die Bedingungen unseres Glücks zu erkennen, andererseits in der Bereitschaft, sie zu suchen und zu kultivieren. Die Entwicklung dieses praktischen Sinnes ist ein wichtiger Bestandteil der Suche nach dem Glück. In diesem Zusammenhang spricht Aristoteles von Tugend.

Zum Erreichen des Glücks gehört zuletzt die Art und Weise, wie wir mit Schwierigkeiten und Rückschlägen umgehen. Diese können wir nicht immer vermeiden. Doch wir können versuchen, dass sie in unserem Leben nicht die Oberhand gewinnen.

Dies alles ist natürlich keine Garantie dafür, dass wir glücklich werden, aber es ist ein guter Weg, um dem Glück näher zu kommen.

In verschiedenen Texten wird über das große und kleine Glück geredet, aber was ist der Unterschied? Was bedeutet großes Glück und was kleines Glück?

Der Unterschied zwischen großem und kleinem Glück liegt nicht in der Stärke des Gefühls. Er liegt eher darin, dass ein kleines Glück zeitlich begrenzt ist und sich auf ein bestimmtes Erlebnis bezieht: Ein schönes Geschenk, das Gelingen einer schwierigen Übung, wofür man lange trainiert hat, ein Lächeln … Das große Glück soll uns dagegen ein Leben lang begleiten und nicht auf nur einem Aspekt unseres Lebens begrenzt sein. Das kleine Glück kann viel intensiver sein als das große und es findet in der Gegenwart statt. Das große Glück ist eher ein besonderes Lebensgefühl, das auch da ist, wenn wir nicht daran denken. Es entspricht dem, was ich vorher Glückseligkeit genannt habe.

Manchmal verpassen wir das kleine Glück des Augenblicks, weil wir so beschäftigt sind, das große Glück zu suchen, das hoffentlich noch kommen soll. Doch vielleicht gehört es auch zum großen Glück dazu, dass wir fähig sind, die Momente des kleinen Glücks einfach zu genießen.

Gehört Pech auch zum Glück? Wenn ja, warum?

Ja, Pech gehört in einem gewissen Sinne zum Glück. Wir könnten kein Glück haben, wenn es nicht auch möglich wäre, Pech zu haben. Es ist auch eine verbreitete Erfahrung, dass wer ein Paar Mal Pech hatte, sich umso mehr freuen kann, wenn er Glück hat. Doch zuviel Pech kann auch Glück verhindern.

Wie wirkt Glück auf uns?

Wenn wir nicht glücklich sind, dann streben wir nach Glück. Es wirkt auf uns wie eine Hoffnung oder wie ein Versprechen, von dem wir wünschen, dass es sich erfüllt. Es kann uns aber auch als etwas Unerreichbares erscheinen und uns zum Verzweifeln bringen.

Wenn wir aber glücklich sind, dann verfärbt unser Glück das ganze Leben. Glück ist nicht nur ein inneres Gefühl. Es prägt die Art und Weise, wie wir die anderen Menschen und die Welt sehen. Es gibt uns auch die Kraft, mit Problemen und Schwierigkeiten besser umzugehen. Glück wirkt wie eine Lebenskraft.

Wenn jemandem viel Unglück widerfährt, wie kann er damit umgehen?

Es hat etwas Tragisches, wenn Menschen, die nach Glück streben, immer wieder vom Unglück getroffen werden. Manche verlieren den Glauben an die Möglichkeit des Glücks, sogar an den Sinn ihres Lebens, und verzweifeln.

Doch manche schaffen es doch, das erlebte Unglück zu überwinden, aus ihm etwas zu lernen und, verstärkt durch diese Erfahrung, weiterzuleben. Diese Menschen wissen manchmal besser als andere, ihr Glück zu schätzen und zu genießen. Es sind auch nicht selten Menschen, die im Unglück die Unterstützung und den Zuspruch anderer Menschen erfahren haben. Das hat sie stark gemacht. Aus dieser Erfahrung können sie nun selber anderen helfen, ihr Unglück zu überwinden.

Das schlimmste Unglück ist vielleicht dasjenige der Menschen, die niemanden haben, um ihnen beizustehen. Deswegen ist es wichtig, diejenigen, denen Unglück widerfährt, nicht allein zu lassen.

Kann man Unglück in Glück umwandeln?

Es gibt im Leben glückliche und weniger glückliche Zeiten. Es ist also möglich, Zeiten des Unglücks zu verlassen und glücklicher zu werden. Das erlebte Unglück kann dann dazu führen, dass wir das jetzige Glück bewusster erleben. Dadurch trägt das vergangene Umglück zur Qualität des jetzigen Glücks bei.

Manchmal entdecken wir auch im Nachhinein, dass wir ohne bestimmte Erfahrungen des Unglücks nicht zu dem Glück gekommen wären, das wir jetzt erleben, weil wir zum Beispiel am erlittenen Unglück gewachsen sind oder weil wir im Unglück die wahre Qualität unserer Beziehung mit einigen Menschen entdeckt haben. Auch dies ist eine Art, Unglück in Glück umzuwandeln.

Wann kann man sagen, dass man ein glücklicher Mensch ist?

Ein Mensch ist dann glücklich, wenn er in einem dauerhaften Zustand des Glücks lebt, wenn er nicht mehr danach strebt, anders und glücklicher zu leben, und wenn er nicht fürchten muss, diesen Zustand zu verlieren. Sein Lebensgefühl ist nicht passiv, denn das Glück muss kultiviert werden. Aber das Glück prägt sein Leben als Ganzes.

Was ist das kognitive Wohlbefinden?
Was ist das emotionale Wohlbefinden?

Kognitives und emotionales Wohlbefinden sind Ausdrücke der heutigen Glücksforschung, die ungefähr den bereits beschriebenen Begriffen des dauerhaften Glückszustands (kognitiv) und des momentanen Glücksgefühls (emotional) entsprechen. Das kognitive Wohlbefinden wird so genannt, weil es nicht nur ein Gefühl ist, sondern ein Element des Urteils über das eigene Leben im Verhältnis zu den eigenen Erwartungen beinhaltet.

Spielt materieller Wohlstand eine wichtige Rolle beim Glück?

Bis zu einer bestimmten Schwelle spielt materieller Wohlstand eine wichtige Rolle: Wer arm ist und seine Grundbedürfnisse nicht sättigen kann, ist weniger glücklich als jemand, der im Wohlstand lebt. Doch jenseits dieser Schwelle scheint das Glück nicht mehr von dem Wohlstand abzuhängen. Jemand, der mehr verdient oder besitzt, ist im Durchschnitt nicht glücklicher als diejenigen, die weniger haben.

Kann man Glück teilen?

Wer Glück hat (im ersten Sinne des Wortes), kann sein Glück nicht teilen. Denn dieses Glück hängt nicht von ihm ab. Er kann höchstens das Teilen, was ihm sein Glück beschert.

Wer aber glücklich ist, kann durchaus sein Glück teilen. Ein Glücksgefühl ist noch schöner, wenn Menschen, die uns nahe stehen – sei es auch nur für einen Augenblick -, daran teilhaben, sich mit uns und für uns freuen. Deswegen versuchen wir immer wieder, sie daran zu beteiligen. Jeder hat auch die Erfahrung gemacht, dass wir in einem Moment des Glücks bestimmte Menschen, die nicht da sind, vermissen können, weil wir unser Glück so gerne mit ihnen geteilt hätten.

Darüber hinaus finden viele Erfahrungen des Glücks in und durch Beziehungen mit anderen Menschen statt. Sie sind von vorne herein geteilte Erfahrungen, die ein Mensch nie allein erleben könnte. Das Gleiche gilt auch für das glückliche Leben, das nur ein solches sein kann, wenn wir es mit anderen Menschen teilen und wenn diese Menschen selber glücklich sind.

Ich würde also die Frage eher umgekehrt stellen: Gibt es ein echtes Glück, dass wir nicht mit anderen teilen könnten?

IMG-20160105-WA0001
Glücksbringer

Bringen Glücksbringer Glück?

Ja, aber nur, wenn man daran glaubt. Der Glaube an sein Glück kann nämlich Glück bringen, und wenn dieser Glaube an Glücksbringern gebunden ist, dann kann man verkürzt sagen, dass die Glücksbringer selber Glück bringen.

Was sagen Sie zu dem Statement, dass Kinder glücklicher als Erwachsene sind?

Ich kann mit einer solchen Aussage wenig anfangen, denn sie setzt voraus, dass man das Glück der einen und der anderen an einem gemeinsamen Maßstab messen kann, was ich bezweifle.

Das Glück der Kinder ist vielleicht sorgloser, weil es weniger von ihnen selbst abhängt als dasjenige der Erwachsenen. Es hängt viel von ihren Bezugspersonen und von dem Umfeld ab, in dem sie leben. Dagegen haben die Erwachsenen zum Teil ihr Glück selber in der Hand, zumindest in freiheitlichen Gesellschaften. Dies macht es nicht einfacher, glücklich zu sein, denn es macht aus, dass wir uns um unser Glück sorgen müssen. Aber dadurch können wir vielleicht ein glückliches Leben nach unserer Vorstellung realisieren, was eine besondere Form des Glücks ist.

Dieses Glück kennen Kinder noch nicht, sie müssen es noch lernen. Aber das heißt auch nicht, dass sie weniger glücklich sind.

Lieber Herr Dr. Delhom, ich danke Ihnen für das Gespräch.